Verwaltungsrat generell
Hier finden Sie eine generelle Übersicht zur Funktion des Verwaltungsrats als oberstes Leitungsorgan der Aktiengesellschaften in der Schweiz, generelle Literatur dazu sowie Marktdaten und weiterführende Links.
Definition und Hintergrund
Der Verwaltungsrat in der Schweiz ist das oberste Leitungsorgan der Aktiengesellschaft. Der Begriff Verwaltungsrat wird sowohl für das Gremium wie auch für das einzelne Mitglied des Gremiums verwendet.
Funktion des Verwaltungsrats
Grundsätzliche Aufgaben
Der Verwaltungsrat als oberstes Leitungsorgan der Aktiengesellschaft hat gemäss Gesetz folgende Aufgaben
- Oberleitung der Gesellschaft
- Festlegen der Organisation
- Ausgestaltung des Rechnungswesens, der Finanzplanung und -kontrolle
- Ernennung und Abberufung der Geschäftsleitung
- Oberaufsicht über die mit der Geschäftsführung betrauten Personen
- Erstellen Geschäftsbericht, Vorbereitung GV und Ausführung deren Beschlüsse
- Benachrichtigen Richter bei Überschuldung
Weitere Rechte und Pflichten des Verwaltungsrates
Neben den unübertragbaren Aufgaben hat der Verwaltungsrat weitere Rechte und Pflichten, welche in verschiedenen Gesetzesartikeln festgeschrieben sind:
- Auskunfts- und Einsichtsrecht
- Stimmrecht
- Weisungsrecht
- Recht auf Sitzungseinberufung
- Recht auf Entschädigung
- Recht auf Anrufung des Richters
- Recht auf Mandatsniederlegung
- Sorgfaltspflicht
- Treuepflicht
- Gleichbehandlung der Aktionäre
- Pflicht zur Sitzungsteilnahme
- Protokollführung
- Konkurrenzierungsverbot
- Durchsetzung der Statuten
- Geheimhaltungspflicht
Rolle im Unternehmen
Im Prinzip sollte der Verwaltungsrat die Rolle des Kapitäns im Unternehmen wahrnehmen. Das bedeutet, er bestimmt die strategische Richtung (Oberleitung), organisiert, steuert und gibt die notwendigen Anweisungen (Organisation, Besetzung GL) und er sichert das Unternehmen vor stürmischen Wettern (Oberaufsicht, Risikomanagement, Finanzkontrolle) oder gar dem Untergang (Benachrichtigung Richter). Neben diesen gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben nimmt der Verwaltungsrat oft vielfältige andere Funktionen als Netzwerker, Coach, Türöffner, Krisenmanager, Berater u.a. wahr.Verhältnis zum Unternehmen
Die Funktion des Verwaltungsrates wird grundsätzlich als organschaftliches Verhältnis bezeichnet. Während ein zusätzlicher Mandatsvertrag die rechtliche Einstufung nicht verändert, kann für den operativ tätigen Verwaltungsrat (z.B. als Delegierter des Verwaltungsrates) durch den Arbeitsvertrag als CEO ein Doppelverhältnis entstehen. Die damit verbundenen Komplikationen füllen seit Jahren Fachzeitschriften und ganze Bücher. Auch wenn der Verwaltungsrat nicht als normaler Arbeitnehmer taxiert wird, sind die Entschädigungen für den VR AHV-pflichtig und folglich gemäss Artikel 20 des Mehrwertsteuergesetzes nicht mehrwertsteuerpflichtig.Der typische Verwaltungsrat
Der typische Verwaltungsrat in der Schweiz...- ist männlich (~80%)
- über 50 Jahre alt
- hat 2-4 VR-Sitzungen pro Jahr
- erhält zwischen 10- und 40'000.- Entschädigung
- ist männlich (~87%)
- 59 Jahre alt
- hat 7-8 VR-Sitzungen pro Jahr
- erhält zwischen 160- und 300'000.- Entschädigung
VR im deutschen und englischsprachigen Raum
Im Unterschied zum schweizerischen monistischen (1-Tier) System, in welchem der Verwaltungsrat mit den nicht delegierbaren Aufgaben neben Kontroll- auch Führungsfunktionen übernimmt, in grösseren Gesellschaften aber die Geschäftsführung an Dritte delegiert, kennt Deutschland das dualistische (2-Tier) System. Darin ist die Aufsichts- und Kontrollfunktion des Aufsichtsrats klar getrennt von der Geschäftsführung durch den Vorstand. In England und den USA zeigt sich das Board of Directors meist als 'Unitary Board', in dem die Geschäftsführung und Vertretung einzelnen geschäftsleitenden (executive) Verwaltungsratsmitgliedern zugewiesen wird und die 'outside board members' die Überwachungsfunktion übernehmen. Einen aufschlussreichen Vergleich des Schweizer und des deutschen Modells gibt Forstmoser in Monistische oder dualistische Unternehmensverfassung? Das Schweizer Konzept.Markt
Verwaltungsratsmandate in der Schweiz
Es gibt rund 200'000 Aktiengesellschaften in der Schweiz. Diese haben insgesamt 420'000 VR-Positionen. Tendenziell haben KMUs im Handel oder Dienstleistungssektor weniger VRs, Industrie, Banken oder grössere Unternehmen mehr. Durchschnittlich bewegen sich die Anzahl Verwaltungsräte pro AG zwischen 2.5 und 5. Bei grösseren kotierten und vorallem Unternehmen mit Beteiligung der öffentlichen Hand sieht man auch mal Gremien mit 10 und mehr Mitgliedern.Diskussions- und Knackpunkte rund ums Thema
- Die Konstitution des Verwaltungsrates im Rahmen des One-Tier-Systems (VR = Geschäftsführer) wird immer wieder diskutiert, ist jedoch in der Schweiz nicht wirklich umstritten.
- Die im Konzern gewünschte einheitliche Leitung setzt einen teilweisen Verzicht des Leitungsanspruchs des VRs der Tochtergesellschaften voraus. Dies ist gemäss Gesetz und Treuepflicht per se aber ausgeschlossen.
- Die arbeitsrechtliche Stellung des Verwaltungsrates als Organ des Unternehmens und als Arbeitsnehmer sowie die darausfolgenden Konsequenzen werden unter Juristen immer noch rege diskutiert.
- Transparenz und Höhe der Entschädigungen der Verwaltungsräte geben regelmässig zu reden. Aufgrund fehlender Massstäbe und Markttransparenz bei nicht kotierten Gesellschaften und auch der Nichtexistenz von wissenschaftlich fundierten Modellen wird dies wohl auch so bleiben.
Weiterführende Literatur und Links
Eine gute generelle Einführung gibt Forstmoser (2002). Die Standardwerke zum Thema Verwaltungsrat sind natürlich Müller (2014) und Krneta (2005). Für eine generelle Darstellung der wichtigsten rechtlichen Rahmenbedingungen siehe Müller (2009).