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Gabe Shawn Varges 14-06-2019

Braucht der Verwaltungsrat ein Budget?

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Braucht der Verwaltungsrat ein Budget?

Mehr Eigeninitiative und ein eigenes Budget könnten Verwaltungsräten helfen, ihren Aufsichtspflichten besser nachzukommen. In den letzten Jahren sind die Erwartungen an Verwaltungsräte bezüglich Aufgaben und Rechenschaft laufend gestiegen. Auch die Höhe der Vergütung von Verwaltungsräten ist mehr denn je in Fokus von Aktionären, Medien und Regulatoren geraten. Verfügen Verwaltungsräte aber auch über ausreichende Instrumente, Zugang zu Informationen und Unterstützung durch Experten, um ihr Mandat qualitativ hochwertig ausüben zu können?

Adäquate Ressourcen für andere, aber für sich selbst?

Der Verwaltungsrat hat als Teil seiner fundamentalen Pflichten in den meisten Rechtssystemen eine direkte oder indirekte Aufsichtspflicht über die gesamten Finanzen und Ressourcen des Unternehmens. Aber während er gewährleistet, dass andere Funktionen im Unternehmen über adäquate Ressourcen (personell / finanziell / informationsbezogen) verfügen, stellt sich die Frage, wie er dies auch für sich selbst sicherstellt?

Der traditionelle Ansatz

Früher waren die Erwartungen an Verwaltungsräte deutlich geringer und recht unterschiedlich zwischen Unternehmen. Ressourcen für die Tätigkeit des Verwaltungsrates wurden mit denen des Managements vermischt. Eine separate und systematische Betrachtung der für den Verwaltungsrat eingesetzten Mittel wurde nicht als nötig empfunden. Da der VR nicht Herr über sein eigenes Budget war, bedeutete dies auch, dass der CEO in bestimmten Fällen einen gewissen Grad an Einfluss auf die Aktivitäten des Verwaltungsrates hatte.

 

Mehr Effektivität und Unabhängigkeit

Der traditionelle Ansatz wird jedoch dem zunehmenden Anspruch an Effektivität und Unabhängigkeit des Verwaltungsrates nicht mehr gerecht. Ein Planungs- und Budgetierungsprozess, der nicht auf Entscheidungen des VR beruht und durch diesen gesteuert wird, beeinträchtigt dessen tatsächliche oder wahrgenommene Unabhängigkeit. Zudem ist es der Verwaltungsrat, der neue Anforderungen an das Gremium am besten einschätzen und planen kann. Diese neuen Bedürfnisse lassen sich in vier Bereiche gliedern:

— Tagesgeschäft

Die Anzahl von VR-Sitzungen ist generell angestiegen. Sitzungsfrequenzen von 6-10 und mehr sind keine Seltenheit mehr. Vorallem aber hat aufgrund der gestiegenen Erwartungen die Arbeit zwischen den Sitzungen zugenommen. Verwaltungsräte sind zudem vermehrt involviert in das Stakeholder Management - sei es mit Investoren, Ratingagenturen oder Regulatoren. Hier stellt sich die Frage, ob die Mitglieder des VR auch eine angepasste administrative Unterstützung erhalten:

  • Stehen die vorhandenen Ressourcen im Verhältnis zu Arbeitspensum, Komplexität und Sitzungsfrequenz?
  • Werden VR-Mitglieder bei ihrer Arbeit in gleichem Masse wie das Topmanagement von qualifizierten Fachkräften unterstützt?
  • Haben diese Fachkräfte einen Interessenskonflikt, da sie eher Teil des Topmanagements anstatt direkt dem VR zugeordnet sind?
  • Wie können die VR-Mitglieder von administrativen Aufgaben entlastet werden?
  • Kann die Arbeit des VR mit digitalen Hilfsmitteln effizienter gestaltet werden?
 

— Kompetenz und Selbsteinschätzung

Bessere 'Board Performance' heisst auch höhere Anforderungen an die Kompetenz der Mitglieder. Dies hat zwei Facetten. Die erste bezieht sich auf die Expertise der rekrutierten Mitglieder des Verwaltungsrates. Die zweite auf die Qualität, Objektivität, und Häufigkeit der Trainings, die der Verwaltungsrat neuen und bestehenden Mitgliedern anbietet, um ihre Kompetenzen zu erweitern und im jeweiligen Verantwortungsbereich auf dem Laufenden zu bleiben. Wollen die Verwaltungsräte dieser Herausforderung - unbeeinflusst vom Management - mehr Aufmerksamkeit widmen, müssen auch die dafür benötigten Mittel geplant und verfügbar gemacht werden.

— Entscheidungsfindung und Assurance

Von zunehmender Bedeutung für den Verwaltungsrat sind genügende Ressourcen, um Entscheidungen wirklich unabhängig treffen zu können. Es ist eine Kunst, die richtige Balance zwischen der nötigen Überwachung der Geschäftsleitung und dem Vorbeugen eines dysfunktionalen Umfeldes von Misstrauen zu finden. Der Einbezug unabhängiger Experten kann eine objektive Beurteilung und Validierung der Daten und Einschätzungen des Managements sicherstellen, ist jedoch mit Kosten verbunden. Eine vorgängige und vom VR gesteuerte Budgetierung verhindert Bittgesuche beim CEO wie auch ungeplante Löcher im Budget des Managements.

— Besondere Situationen

Ein Vorfall, eine behördliche Untersuchung oder ein Gerichtsprozess können den Aufwand für den Verwaltungsrat um ein Vielfaches erhöhen - sei es in Form von Zeit, Kosten für Kommunikation oder für externe Berater. Eine Reserve im VR-Budget hilft, in Krisensituationen schnell und entschieden zu handeln, ohne sich jedes Mal wegen neuer Ressourcen an das Management wenden zu müssen.

Der VR als treibende Kraft

Der VR, nicht das Management, soll die treibende Kraft hinter der Planung der VR-Ressourcen und Budgets sein. Der Vorteil liegt dabei nicht nur im Ausdruck von mehr Unabhängigkeit, sondern auch im Beitrag zur eigenen Effektivität.

Caveats

  • VR-Budgets können die Effektivität des VR erhöhen, ersetzen aber nicht die Kompetenz und den Einsatz des Verwaltungsrates.
  • VR-Budgets können zur Unabhängigkeit des VR beitragen, sollen jedoch nicht den offenen Dialog und die konstruktive Dynamik zwischen Management und VR behindern.
  • VR-Budgets sind keine Blankochecks - die Sorgfaltspflicht gilt auch hier.
  • Zweck eines VR-Budgets soll transparent kommuniziert werden. Es dient der zusätzlichen Unabhängigkeit und Effektivität des Gremiums. Es ist nicht als versteckte zusätzliche Komponente der Entschädigung zu verstehen.
Dies mag sich je nach Konstellation im Tagesgeschäft, im Kompetenzaufbau oder bei der Entscheidungsfindung in schwierigen Situationen zeigen.

Immer mehr von Verwaltungsräten einzufordern, ohne ihnen zu erlauben, sich selbst mit den notwendigen Ressourcen zu versorgen, bedeutet eine Einschränkung ihrer Fähigkeit, diese höheren Anforderungen zu erfüllen. Ein eigenes VR-Budget hilft bei der internen Vertraulichkeit des Verwaltungsrates und schützt das Management vor Vorwürfen, dass es die Entscheidungen der Verwaltungsratsmitglieder und Experten beeinflusst. Zudem kann ein gesondertes, vom Verwaltungsrat kontrolliertes Budget die Diskussion um die Steigerung der eigenen Effektivität im Gremium enorm bereichern.
 
 
 
Der vorliegende Artikel basiert auf dem Beitrag von Gabe Shawn Varges im Buch Beiträge zu aktuellen Themen an der Schnittstelle zwischen Recht und Betriebswirtschaft, L. Staub, Schulthess, 2017.
 
 
Kategorien: VR-Generell

DER AUTOR

Gabe Shawn Varges

Gabe Shawn Varges ist Berater und Experte für VR-Angelegenheiten, Corporate Governance, Compliance, und Vergütung. Er ist Senior Partner bei HCM International und Vorsitzender der GECN Gruppe. www.hcm.com. Zudem ist er Dozent an der Universität St. Gallen und Autor diverser Publikationen. Zuvor war er Head of Governance bei der FINMA und Group Chief Compliance Officer bei der Zürich Gruppe.

 

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